KOMPONIST
UND PÄDAGOGE
AUS LEIDENSCHAFT

 

 

Mit dem zweiten Preis des “Prager Frühlings” für sein drittes Streichquartett erweckte Peter Herrmann 1965 als Student der Leipziger Hochschule für Musik plötzlich weithin Aufmerksamkeit. Das Werk fand schnell Eingang ins Repertoire des Gewandhaus-Quartetts. Auch das von Gewandhaus-Musikern formierte Palm-Quartett und auswärtige Ensembles spielten dieses ursprünglich als zweites bezeichnete Quartett.

Der Erfolg wog umso mehr, weil der junge Mann nach vierjährigem Violinstudium am Konservatorium Zwickau 1960 auch an der Leipziger Hochschule im Hauptfach Violine begann und Komposition erst als zweites Hauptfach hinzukam. Komponiert hat der am 19. Dezember 1941 in Chemnitz geborene Peter Herrmann aber schon viel früher. Als Vierzehnjähriger lehnte er sich an Hindemith und Bartók an. Als Siebzehnjähriger schrieb er sein erstes Streichquartett in zwölf kurzen Sätzen über eine Zwölftonreihe.

Bei seinem Kompositionslehrer Fritz Geißler, bei dem er nach Studienabschluß 1965/67 noch eine Aspirantur absolvierte, erhielt er anregende Unterweisungen, die neueste Techniken einbezogen. Wertvolle Impulse verdankt er auch Wilhelm Weismann, bei dem er ebenfalls Unterricht genoß.

Die Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen befruchtete das kompositorische Schaffen. Doch ließ sich Peter Herrmann nie dazu verleiten, sich auf eine bestimmte Technik festzulegen. Davor bewahrte ihn auch das gründliche Studium der Werke klassischer Meister wie sein intensives Befassen mit großen, eigenständigen Komponisten des 20. Jahrhunderts wie eben Béla Bartók, Bohuslav Martinu, Dmitri Schostakowitsch. Will man für Peter Herrmanns Werke jener ersten Schaffensphase einen Nenner finden, sind sie am ehesten mit dem Begriff eines vitalen, aber durchaus konfliktreichen Musizierens zu erfassen.

Im Frühjahr 1968 erlebte Peter Herrmanns erstes größeres Orchesterwerk, ein Konzert für Orchester, seine Uraufführung in einem Gewandhauskonzert unter Klaus Tennstedt. Auf Wunsch des Bachorchesters des Gewandhauses entstand 1970 die oft gespielte Kammersinfonie. Zahlreiche Aufführungen erlebte in jenen Jahren auch das 1972 uraufgeführte zweite Klaviertrio.

In der folgenden Zeit entstanden Werke für nahezu alle musikalischen Genres, die von einer zunehmenden Differenzierung gekennzeichnet sind. Diese Differenzierung wird auch von der generellen Entwicklung in der DDR und nach 1990 im wiedervereinten Deutschland beeinflusst: von Hoffnungen, wohl auch anfänglich Illusionen, wachsenden kritischen Einsichten (auch in den Jahren 1984 bis 87 als Rektor im problematischen Umgang mit der Partei- und Staatsbürokratie), von den andersartigen neuen Problemen seit 1990.

Das Werkverzeichnis umfasst inzwischen vier Sinfonien, Solokonzerte für Violine, Klavier, Violoncello, Flöte, Trompete, das Ballett “Die Idee”, vier Streichquartette, vier Klaviertrios, zwei Bläserquintette, ein Septett, weitere Kammermusik, Sonaten für verschiedene Instrumente, Vokalmusik verschiedener Besetzungen, darunter die Solokantate «Mater terra» für Sopran und Kammerorchester.

Angesichts der derzeitigen Zurückhaltung zumal der großen Orchester gegenüber neuer Musik schuf Peter Herrmann in den neunziger Jahren zahlreiche Werke für kleinere Besetzungen und ungewöhnliche Kombinationen, so die in einer Hochschul-Kammermusik uraufgeführte “Tape- Symphony” für Violoncello, Klavier und Tonband und das auch gedanklich bewegende Stück “Meschki-Agascher” für Violoncello und Klavier. Aber er stellte sich in dieser Zeit auch der Oper. Für Studenten der Hochschule schrieb er die von ihnen erfolgreich aufgeführte Kammeroper “Der Streit” nach einer Komödie von Pierre Carlet de Chamblain de Marivaux. Als Herausforderung für sich und für die Opernhäuser komponierte er die große, noch unaufgeführte Oper “Macbeth” nach Shakespeares Tragödie.

Zum künstlerischen Wirken Peter Herrmanns gehört seit Ende des Studiums die Lehrtätigkeit, die für ihn ein befruchtendes Geben und Nehmen bedeutet. Nach zwei Jahren an der Theaterhochschule “Hanns Otto” wirkt er seit 1969 als Lehrer (seit 1984 Professor) für Komposition, Tonsatz, Instrumentation und Formenanalyse an seinem Ausbildungsinstitut, der jetzigen Hochschule für Musik und Theater “Felix Mendelssohn Bartholdy” mit der für ihn insgesamt charakteristischen Leidenschaftlichkeit.

Werner Wolf

 

J O U R N A L Dezember 2001 No 12
Zeitschrift der Hochschule für Musik und Theater “Felix Mendelssohn Bartholdy” Leipzig
JUBILÄEN / PERSONALIA
PETER HERRMANN
ZUM 60. GEBURTSTAG

 

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