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Gedanken über Musik | Kommentare zu ausgewählten Werken

 

Kommentare zu ausgewählten Werken

4. Sinfonie (1997)

Viele Kompositionen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tragen starke intellektuelle und konstruktivistische Züge. Dieser fast schon zum Paradigma gewordenen Haltung unterlag ich in manchen meiner bisherigen Werke auch. Meine 4. Sinfonie folgt dieser Strömung nicht mehr: Ohne jegliches intellektuelles Kalkül schrieb ich in kurzer Zeit auf, was mir meine Fantasie spontan diktierte. So entstand in natürlicher Lockerheit eine Sinfonietta, die in ihrer zyklischen Gliederung stark an die Musik des 18. Jahrhunderts erinnert. Nur die Binnenstruktur des fast klassisch-formalen Ablaufs entspringt dem Geiste unseres Jahrhunderts.

 

Meschki Agascher für Violoncello und Klavier (1999)

Dieses Stück ist dem gleichnamigen und freigewählten König des Stadtstaates Eanna in Mesopotamien gewidmet. Meschki Agascher ist der erste Name, der im 30. Jahrhundert vor Christi Geburt aus der Anonymität der Geschichte heraustritt.

Die innere Ruhe dieser Musik will Raum lassen zur Reflexion über Relatives in der Geschichtsbetrachtung.

 

Ten Symphony (2001)

10 Spieler mit kontrastreichem Instrumentarium gestalten 3 Sätze in freier Form:

1. Kontraste
pp-Klangstrukturen, flächig, aber feingliedrig durchgeformt, eruptive ff-Ausbrüche — formale Entwicklungskräfte nur ganz sparsam eingesetzt

2. Pulsation
Abendländische Metrik von Hebung und Senkung, von schwer und leicht fehlt. Die Musizierenden sollen möglichst im Sinne afrikanischer Musik schnelle Pulsationen empfinden (Sechzehntel=480). Plötzlicher Wechsel von Klangfarben, Registern, Lautstärke, Bewegungsmustern — Linearität im Sinne von Monodie oder Polyphonie fehlt völlig.

3. Adagio-Finale
Diese Begrifflichkeit soll an sinfonisches Denken des 19./20. Jahrhunderts erinnern. Hier wird versucht, das weite Feld der “Adagio-Welt” zu betreten. Adagio als Abschließendes, aber Konfliktgeladenes.

 

Violoncellokonzert (2002)

Mein Violoncello-Konzert ist einsätzig und dauert ca. 20 Minuten. Zum Soloinstrument treten 10 Spieler hinzu, die unterschiedliche Funktionen haben: kammerorchestrale Tuttiklänge, solistische Kontrapunkte, Klangflächen, rezitativartige Klangstützen, gliedernde Akkordakzente. 

In der Mitte des Konzertes erklingt ein nur durch Geräuschklänge geformter Teil, in dem das Soloinstrument schweigt. So entsteht grob gliedernd eine A-B-A-Form mit sehr differenzierenden Binnenformen. Die beiden A-Teile werden deutlich vom Solisten geprägt, die anderen Instrumente treten hier sparsam ergänzend hinzu.

Der Mittelteil mit seiner geräuschhaften Klanglichkeit wird durch mehrere konsonante Akkordschläge des Solocellisten in die Welt der Töne zurückgeholt. Der musikalische Gehalt des Werkes, weitgehend durch sehr variable Ton-Geräusch-Relationen charakterisiert, schließt teilweise afrikanische und asiatische Rhythmusmodelle ein, die im europäischen Sinne bearbeitet werden.

Das Konzert stellt außergewöhnliche Anforderungen an den Solisten: extremes Doppelgriffspiel, häufiger abrupter Wechsel von klassischer Tongebung und heutigen Geräuschklängen, neuartige Kombinationen von differenzierter Bogen- und Grifftechnik.